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Rückblick
nach 40 Jahren, auf die Havarie der „Jungen Garde“ im Eis
von Labrador am 08.03.1968.
Günther Kröger - Kapitän/Fangdirektor
Ein paar Worte vorweg: Würden wir das Tagebuch des Transport – und Verarbeitungsschiffes ROS 317, „Junge Garde“ von der Rostocker Hochseefischerei aufschlagen können, dann würde wir folgenden Eintrag finden, den sie vor 40 Jahren niederschrieben: >Position 56 Grad 25 Minuten Nord und 57 Grad 27 Minuten West. Wetterlage, Wind NNW 8, Seegang 7, mäßige Sicht durch Schneetreiben. Strom setzt südöstlich. Brücke besetzt mit dem Wachoffizier Gerhard Barthel und dem IV. Offizier Klaus Kröger, Rudergänger Ralf Wuske. Die Wache an Deck leitete der Bestmann Peter Pressentin.< Lesen wir den Bericht des Kapitäns Werner Niedermeier und schauen wir in die Havarieunterlagen, würden wir über den 08. März 1968 und die Zeit danach folgende Aussagen finden. Fischereilage: Über die Havarie: Als der I.Offizier den Steert wieder sichtete, lag er in 30 – 40 m Entfernung an der Bb.-Seite in Höhe der Brücke. Das Schiff machte noch leichte Fahrt voraus, deshalb entschloss sich der I. Offizier die Schraube auf VV zu beordern und er ließ im gleichen Moment das Ruder hart Bb. legen. Er wollte mit diesem Manöver das Heck des Schiffes vom Steert frei drehen, wollte den Steert frei passieren. Das Manöver brachte keinen Erfolg. Sie trieben über Steert und Stander und drehten sich alles in die Schraube des Schiffes. Er stoppte sofort die Maschine. Der I. Offizier wusste, das letzte Manöver hätte nicht sein dürfen. Kapitän Niedermeier war unmittelbar danach auf der Brücke. Er beorderte den Chief auf die Brücke und legte fest, die Korkleine und den Stander erst einmal aufzufischen und so weit wie möglich einzuholen. Dann sollen mittels der Törnmaschine versucht werden, den Steert und den Stander aus der Schraube zu drehen. Sie hatten es vor Reisen schon einmal so gemacht und wussten, welche Arbeitsgänge dazu notwendig waren. Kapitän Niedermeier regelte die Besetzung der Brücke neu und beauftragte den I. Offizier die Arbeiten an Deck zu leiten. Er beorderte alle notwendigen Besatzungsmitglieder auf ihre Stationen. Die beiden Zubringerkapitäne wurden verständigt und er bat um ihre Bereitschaft zu helfen, wenn es notwendig würde. Kapitän Drews ließ sofort das Füllen des Steertes abbrechen und nahm den Fisch wieder an Bord. Beide Zubringer legten sich in unmittelbarer Nähe in Position. Das Wetter war schlechter geworden und die „Junge Garde“ trieb in Richtung Eiskante. Das Törnen brachte bei den ersten Malen keinen Erfolg. Sie versuchten es weiter unter Leitung des Chiefs. Kapitän Niedermeier versuchte mit Hilfe seines Bugstrahlruders das Schiff zu drehen. Doch bei dieser Windstärke war die Leistung zu gering. Sie hatten keinen Erfolg. Die TV-Schiffe hatten die Eigenart, beim Treiben mehr Fahrt voraus zu machen, als quer zu driften. Er wollte aber unbedingt auf Gegenkurs kommen, um vom Eisfeld wegzutreiben oder besser gesagt weg zusegeln, mit Hilfe seiner Aufbauten. Das Wetter hatte sich weiter verschlechtert. Es wehte nun aus NNW mit Stärke 9. Sie hatte eine hohe See, Schneetreiben und Temperaturen um Minus 6 Grad C. Das Eis machte sich bereits wieder stärker bemerkbar. Nun sollten die Zubringertrawler anfassen und das Schiff drehen. Die Leinen waren bereits vorbereitet und auch auf den beiden Zubringertrawlern konnten die Manöver beginnen. Zweimal konnte ROS 401 die Korkleine aufnehmen. Doch dann brach beim Hieven des Vorläufers die Verbindung. Die Schiffe arbeiteten zu stark in der See. Am 09.03.68 gegen 02.00 Uhr erhielt der Funker die Order, eine Verbindung mit der kanadischen Küstenfunkstelle herzustellen. Der Kapitäne wollte Informationen einholen, ob ein Eisbrecher oder Schlepper mit Tauchern bereit wäre, um Hilfe zuleisten. Zwei Stunden später hievten sie den Hievstander des Steertes in der Heckslip steif. Dabei brach der Stander, das lose Ende verschwand unter der Heckslip. Vom Chief kam die Information, dass laut Anzeige des Amperemeters, die Schraube frei sein müsste. Das ergab der letzte Törnversuch. Sie wagten jedoch nicht die Maschine anzuwerfen und mit der Schraube zu drehen. Man wollte noch einmal 30 Umdrehungen der Schraube mittels Törnmaschine vornehmen, um zu testen, ob die Schraube wirklich frei war. Das war wohl eine richtige, aber folgenschwere Entscheidung. ROS 317 war inzwischen in ein Eisfeld getrieben. Es bestand aus Packeis. Durch den Winddruck (Stärke 9) kränkte das Schiff stark. Als die Techniker noch beim Törnen waren, meldete um 06.00 Uhr der I. Technische Offizier Karsten, starke Schläge gegen die Bordwand. Um 07.00 Uhr, als sie die Törnversuche abschließen wollten, spürten sie einen starken Schlag im Schiffskörper. Eine große Packeisscholle hatte das Schiff leck geschlagen. In Höhe des Maschinenraumes, bei der Schalttafel, ca. 2 m über der Wasserlinie hatte die Bordwand von Spant 84 bis Spant 88 einen Riss. Wasser drang in den Maschinenraum. Von der Brücke kam sofort Lecksicherungsalarm und unmittelbar danach begann ein Lecksicherungstrupp ein Lecksegel anzubringen. In der Maschine wurde damit begonnen, das Leck von innen abzudichten. Unmittelbar nach dem Wassereinbruch fiel die Stromversorgung auf dem ganzen Schiff aus. Sofort sollte der Notdiesel in Betrieb genommen werden. Doch die Füllleitungen, die im Bereich des Lecks vorbeiführten, waren gebrochen und die Luftflaschen zum Anlassen des Notdiesels waren dadurch leer. Nur eine Notbeleuchtung erhellte notdürftig das Schiff. Kapitän Werner Niedermeier ließ eine rote Leuchtkugel abschießen und über den Notsender auf der 500 khz Frequenz konnte er sich mit Kapitän Kohnert von ROS 401 in Verbindung setzen. Um o7.22 Uhr informierte Kapitän Kohnert den Fangleiter und die Flotte. Das Schwesterschiff ROS 316 stand bereits 80 sm entfernt. Brach sofort die Fischereitätigkeit ab und dampfte mit einem Teil der Flotte zur Hilfeleistung auf die Position der ROS 317. Darüber informierte der Fangleiter Egon Müller, Kapitän Niedermeier. Sie sprachen sich darüber ab, dass der Betrieb durch den Fangleiter verständigt wird und die Informationen die von zu Hause kommen würden, sollten über die ROS 316 laufen, um Werner Niedermeier nicht unnötig zu belasten. Die Ausbringung des Lecksegels hatte wenig Erfolg. Das an der Bordwand vorbeischiebende Eis zerriss es nach dem Anbringen. Sie bemühten sich ein neues Lecksegel auszubringen. Die Frauen der Produktion waren angesetzt, das erste Lecksegel zu reparieren. Unter großen Mühen, nähten sie Ochsenfelle auf die zerrissenen Leinwände des Lecksegels. Es dauerte aber seine Zeit. In der Maschine kämpften die Maschinisten um das Abdichten des Lecks mit den ihnen zur Verfügung stehenden Materialien. Gleichzeitig bemühten sie sich, den Notdiesel in Betrieb zusetzen, damit die Pumpen betrieben werden konnten. Doch es fehlte die Pressluft um den Diesel anzustoßen. An Deck spürten die Matrosen die beißende Kälte kaum. Sie versuchten immer wieder, das Lecksegel anzubringen. Sie bereiteten sich gleichfalls darauf vor, dass die beiden Zubringertrawler nacheinander versuchen sollten, das Schiff zu drehen. Kapitän Kohnert war gerade dabei, eine Leinenverbindung herzustellen. Nur mit größter Kraft gelang es ihm an die ROS 317 heranzukommen. Die Drift des Mutterschiffes im Eis war derart stark, dass er Mühe hatte von dem großen Schiff frei zu bleiben. Die Leinen, die sie aufnahmen brachen beim Einholen, weil sie unter das Eis gerutscht waren. Beim zweiten Anlauf zur Hilfeleistung beschädigte er seine Verstelleinheit und musste ebenfalls im Eis liegen bleiben. In der Maschine war es immer noch nicht gelungen das eindringende Wasser zustoppen. Immer wenn das Lecksegel draußen saß, kamen sie mit ihren Abdichtmaßnahmen voran, doch so wie das Lecksegel erneut beschädigt war, machte das Wasser alles erreichte zu nichte. Der Notdiesel lief immer noch nicht. Der Chief, Wilhelm Rügheimer wetterte, doch sie bibberten und waren klitschnass durch das eisige Wasser. Dann rannte Bernd Gamelin plötzlich davon und kam mit einer Luftflasche, die sie bei Tauchereinsätzen verwendeten zurück. Er hatte die richtige Idee, die Erfolg versprach. Sie stellte eine Verbindung mit den Druckleitungen her. Dann das bange Hoffen, ob der Druck ausreichen würde, um den Diesel in Gang zu setzen. Er fauchte und zischten nicht einmal, so als wüsste er, worauf es jetzt ankam. Er lief und die Maschinisten jubelten, waren unheimlich erfreut und beruhigt. Nun setzten sie die Pumpen in Gang und begannen endlich zu lenzen. Im ganzen Schiff kroch die Kälte in alle Räume. Die gesamte Besatzung wurde in Bereitschaft gehalten. Die Frauen hatten die Ochsen auf die zerrissene Leinwand des Lecksegels genäht. Sie hätten weinen können, so schmerzen ihre Hände und Finger beim Handtieren mit der Segelnadel. Doch sie wollten mithelfen und waren tapfer. Es herrschte überhaupt eine vorbildliche Disziplin auf dem Schiff. Sie wurden ständig über die Lage informiert; und ihre Leiter waren immer zur Stelle, wenn es Fragen oder Probleme gab. Auf der Brücke wanderte Kapitän Niedermeier von einer Seite zur anderen. Da die Hauptschalttafel unter Wasser stand, konnte keiner der Fahrmotoren angeworfen werden. Mit eigener Kraft konnte er sich nicht aus der misslichen Lage befreien. Als der Notdiesel anlief und sie mit dem Lenzen begannen, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Nun wollte er es noch einmal mit der „Elvira Eisenschneider“ versuchen, das Schiff zu drehen. Herausschleppen aus dieser Eiswüste, konnte ihn der Zubringer mit Kapitän Drews nicht. Dazu fehlte die Kraft. Es waren gefährliche Manöver, die Kapitän Drews fahren musste. Ihm standen manchmal die Haare zu Berge, wenn es aussah, als würden sich die Schiffe berühren. Doch die Leinen brachen immer wieder. Als sie eine feste Verbindung hergestellt hatten, war die ROS 404 nur in der Lage, die Leine steif zuhalten. Drehen konnte er die „Junge Garde“ nicht. Harri Drews saß selbst im Packeis fest. Gegen 18.00 Uhr am 09.März brach die Schleppverbindung erneut. Das Schwesterschiff „Junge Welt“ war gegen 16.00 Uhr beim Havaristen eingetroffen. Kapitän Damaschke wollte eine Schleppverbindung herstellen. Es gelang ihm aber nicht an das Schwesterschiff heran zu kommen. Er blieb im Eis stecken und beschädigte sich dabei die Verstelleinheit. So, wurde festgelegt, erst einmal abzuwarten. Auch in Rostock hatten sich Experten zusammengefunden, um dem Havaristen Unterstützung zu geben. Konstrukteure der Werft untersuchten die Stabilität in dem Havariefall. Jetzt wo die Pumpen liefen, war die Gefahr erst mal gebannt. Doch das Wetter war nicht besser geworden. Die Eispressungen nahmen zu. Im Fischmehlraum wurde eine große Einbeulung gemeldet. Kapitän Niedermeier bat die Küstenfunkstelle um Hilfe durch einen Eisbrecher. Doch er erhielt die Mitteilung, es wäre kein Eisbrecher in der Nähe. Um 18.15 Uhr entschloss sich Kapitän Niedermeier eine Dringlichkeitsmeldung abzugeben. Er benötige unbedingt Eisbrecherhilfe. Im Laufe des Nachmittags war man der Eisgrenze näher gekommen. Die Driftgeschwindigkeit lag bei 3,3 kn. Wieder verstärkten sich die Eispressungen am Schiff. Alle Anstrengungen aus dieser Situation heraus zu kommen waren bisher gescheitert. Nun entschloss sich Werner Niedermeier zu ankern. Sie hatten 180 m Wassertiefe. Doch der Steuerbordanker fiel nicht. Alles war in der Ankerklüse festgefroren. Mit der Winde konnte nicht gearbeitet werden, da der Strom fehlte. Mit dem Backbordanker verhielt es sich nicht anders. Gegen 20.40 Uhr drehte der Wind und er hoffte nun in östlicher Richtung aus dem Eisfeld zu treiben. Doch sie hatten sich erneut verrechnet. Sie näherten sich nicht der Eisgrenze. Die Eispressungen nahmen wieder zu. Das Lecksegel drohte wieder zu zerreißen. In der Maschine hatte man mit Hilfe von Speckseiten aus der Kombüse das Leck einigermaßen im Griff. Nun setzte der Kapitän eine zweite Dinglichkeitsmeldung ab. Er forderte Hilfe durch Hubschrauber an. Der Hubschrauber sollte einen Teil der Besatzung auf das Schwesterschiff oder die anderen Fahrzeuge umsetzen. Ein neuer Tag war angebrochen, die Kräfte der Besatzung waren am Ende. Der Alte hatte die ganze Zeit auf der Brücke gestanden und die Offiziere und die meisten Besatzungsmitglieder waren auch durchgehend im Einsatz gewesen. Früh am morgen hatte die Küstenfunkstelle gemeldet, ein Eisbrechen mit Hubschrauber würde bereitstehen, weitere Hubschrauberhilfe sei möglich, aber ungewiss. An Bord wurde ein neues Lecksegel ausgebracht. Obwohl das Eis lockerer geworden war, waren die Schläge gegen die Bordwand härter. Man trimmte das Schiff um, damit die Leckstelle an der Backbordseite aus dem Wasser kam. Ganz unter Kontrolle hatte man es immer noch nicht. Sie näherten sich der Eisgrenze. Nun gelang es, eine Schleppverbindung zum Zubringertrawler ROS 415 herzustellen. Da der Wind nachgelassen hatte, konnte die „Junge Garde“ in völlig eisfreies Wasser geschleppt werden. Nocheinmal wurde das Lecksegel gewechselt, dann schien es überstanden zu sein. Der Kapitän bestellte dann um 11.25 Uhr den Hubschrauber und den Eisbrecher ab. Es bestand keine unmittelbare Gefahr mehr für Besatzung und Schiff. Nach und nach wurden die Schiffe aus der Hilfeleistung entlassen. Am 11.März, wurde die „Junge Garde“ von den Zubringertrawlern ROS 413, 415 und 419 in den Nothafen St.John’s geschleppt. Erst am 16. März gelang es, einen Fahrmotor zu starten. Damit verbesserten sich die Verhältnisse an Bord zusehends und man konnte das Schleppen der Schiffe durch Mitdrehen unterstützen. Am 17. März 1968 erreichten sie den Hafen St,John’s. Eine der größten Havarien im Fischkombinat bzw. im VEB Fischfang Rostock wurde glimpflich überstanden. Menschen kamen nicht zu schaden. Von der Havariekommission wurde eingeschätzt, dass alle Maßnahmen nach der Havarie mit hohem seemännischen Können und Wissen vorgenommen wurden. Ich kann nur hinzufügen, der Zusammenhalt und die Disziplin der Besatzung während der Bekämpfung der Havarie war bewundernswert. Eben so hoch einzuschätzen ist die Bereitschaft der Hilfe, durch die anderen Bestzungen unserer Flotte. Auf einander war Verlaß. |
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Letztes Update: 01.01.1970, 01:00 Uhr
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Günther Kröger - 2008 |