Kapitän H. Krönke bleibt an Land
von Günther Kröger
Auf dieser Reise hatten wir einen besonderen Gast an Bord. Es war Kapitän Heinrich Krönke.
Kapitän Krönke fuhr seit 1913 bei der Fischerei zur See und hatte sich gewünscht, sein 50-jähriges Jubiläum bei der Fischerei auf See begehen zu können.
Für die Hochseefischerei der DDR war Kapitän Krönke so etwas wie eine Kultfigur. Im März 1958 hatte er mit dem Seitentrawler „Dresden“ für unser Fischkombinat die Fangplätze vor Westgrönland „erobert“. Er war auch ansonsten in den Jahren seiner Tätigkeit als Kapitän im Fischkombinat Rostock einer der Erfolgreichsten gewesen.
Aufgrund seiner Verdienste genehmigte die Kombinatsleitung eine für ihn kostenlose Mitreise auf einem Fang- und Verarbeitungsschiff. Er wohnte bei uns in einer der Krankenkammern und war somit zu jeder Tag- und Nachtzeit in unmittelbarer Nähe des Fischereigeschehens, da er von dort direkt auf das Arbeitsdeck schauen konnte.
Fünfzig Jahre auf Schiffen maximal so groß wie unsere Seitentrawler zur See gefahren, hatten unser Schiff und der gesamte Dienstablauf für ihn eine besondere Faszination. Natürlich galt sein besonderes Interesse dem eigentlichen Fischereiablauf mit all den Veränderungen gegenüber einem Seitentrawler. Aber auch die Verarbeitung zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
So war Kapitän Krönke bei allen Besatzungsmitgliedern beliebt und erfreute sich einer ständigen Aufmerksamkeit ihm gegenüber. Einladungen in die Kammern der Besatzungsmitglieder waren an der Tagesordnung. Die Stewardessen und die anderen weiblichen Besatzungsmitglieder lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab.
Nur an so manchem Seemannssonntag verließen ihn alle. Als gebürtiger Pommer war für ihn sein gekochter „Pomuchelkopp“ eine besondere Delikatesse. In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag, dem Seemannssonntag, suchte der wachhabende Meister die schönsten und größten Kabeljauköpfe heraus und übergab sie der Küche, die diese dann nach den Wünschen von Kapitän Krönke kochte. Die Stewardeß servierte diese gekochten Kabeljauköpfe Kapitän Krönke dann um 8.15 Uhr in der Offiziersmesse.
Bei seinem ersten Festmahl waren alle sich zu dieser Zeit normalerweise in der Messe aufhaltenden Offiziere anwesend. Später aber dann nicht mehr. Kapitän Krönke kam zu diesen „Festmahlen“ immer ohne seine dritten Zähne, was ansich schon kein schöner Anblick war. Und dann sein Schlürfen und Schmatzen. Es war nicht mit anzuhören.
Bei den folgenden Festmahlen strafften wir unser Frühstück und waren kurz nach 8.00 Uhr aus der Messe verschwunden. Übelgenommen haben wir Kapitän Krönke seine Marotte nicht. Aber seine Einladung, an einem solchen Mahl teilzunehmen, lehnten wir ab.
Auf der Heimreise würdigten wir seine lange berufliche Laufbahn im Rahmen eines Bordfestes. Von der Kombinatsleitung war ein langes Glückwunschschreiben eingetroffen. Otto Damaschke verlas dieses Telegramm vor ihm und der versammelten Besatzung. Wenn auch Fischersleute mit zu den Härtesten gehören, so wurde Kapitän Krönke bei dieser Veranstaltung weich wie Butter in der Sonne. Nicht nur ihm standen Tränen in den Augen.
Er war so glücklich, daß seine Fahrenszeit in dieser Form zu Ende gehen konnte und wir waren es ebenfalls, ihm ein solches Erlebnis bereiten zu können.
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