Günther Kröger 2010-07-09
Ende 1957/Anfang 1958
Der Trawler "Dresden" fischt im Nordmeer. Die Fischzeit ist beinahe abgelaufen und die Räume sind nicht voll. Sie müssen aber nach Hause, wenn
Sie den Fisch gut anlanden wollen.
Die Stimmung an Bord ist gedämpft. Wer nicht muss, geht nicht auf die Brücke. Der Alte ist mit sich und der Welt unzufrieden und immer wieder hören sie an Deck seine Flüche, wenn ein kleiner schlapper Sack an Deck gezogen wird. Sie haben auf dieser Reise das gesamte Gebiet hier im Norden abgesucht, doch die Ergebnisse waren mehr als bescheiden. Auch die anderen Rostocker Trawler haben sich an der Suche beteiligt und sind mehr als verzweifelt über die Fangergebnisse. Dazu kommt die ständige dunkle Nacht, die sie den ganzen Tag umgibt und ihnen jedes Zeitgefühl nimmt. Nur am Mittagessen wissen sie was die Zeit geschlagen hat. Alle lassen so ein bisschen den Kopf hängen und die Stimmung ihres Kapitäns hat auch sie, die Besatzung, eingeholt. Sie sitzen in ihrer Freizeit zwischen den Hols in der Messe und spielen Karten. Der Bestmann knallt gerade seine guten Karten auf den Tisch und sagt lächelnd:
"Wieder gewonnen!" Der Netzmacher und Matrose Arnow werfen die restlichen Karten ebenfalls auf den Tisch. Es macht auch keinen Spaß sich hier die Zeit mit Kartenspielen zu vertreiben. Sie würden lieber an Deck stehen und im Fisch wühlen. Ernst, der Netzmacher meint: "Es ist hier oben nichts los, um diese Jahreszeit!" Und Arnow wirft dazwischen: "Ich glaube der Alte hat so richtig die Nase voll und ich glaube auch, er brütet was aus. Da oben ist richtig dicke Luft." Sie haben die Karten auf der Back liegen lassen und hadern mit sich selbst. Ein anderer Matrose, der Fischwache hatte, mischt sich in das Gespräch ein. Er erzählt von seiner Beobachtung auf der Brücke: "Der Alte hat den Funker so richtig warm gemacht, als er mit nur ein paar Fischereinachrichten auf die Brücke kam. "Ich will alles wissen was die alten Kollegen aus Cuxhaven und Bremerhafen und aus Kiel dort oben bei Grönland und auf den Neufundlandbänken machen. Hör' ihre Gespräche ab und schreib alles auf, was du erfahren kannst. Und bekomme heraus, wo sich mein Bruder aufhält, mit dem will ich in den nächsten Tagen reden." Der Funker schüttelte nur mit dem Kopf und meinte, wie soll ich von hier die Gespräche abhören? "Was wollte der Alte noch wissen, wonach hat er gefragt", riefen jetzt die anderen Besatzungsmitglieder in der Messe.
Der Bestmann war aufgestanden und schaute aus dem Bullauge, tat beinahe so, als wenn er dort sehen konnte, was auf sie zukam. Sie würden sofort einverstanden sein, wenn sie nach Grönland fahren würden, doch der Alte würde sie nicht fragen, sondern alleine entscheiden. Dann schrillte die Alarmhupe, das Zeichen, dass das Netz eingeholt werden sollte. Es war der letzte Hol dieser Reise, der Alte schrie von der Brücke: "Wir dampfen nach Hause, macht alles zur Heimreise klar!" Der I. Offizier musste auf die Brücke und der Alte verschwand in seiner Kammer. Doch er kam noch einmal zurück und nahm einige Seiten Papier mit nach unten, die er vom Funker erhalten hatte. Der I. Steuermann wunderte sich darüber und dachte, Papier ist doch sonst nicht seine Stärke, was will er denn damit in seiner Kammer?
Am nächsten Tag kam der Alte erneut auf die Brücke als sein I. Offizier Wache hatte. Er meinte im besten Plattdeutsch: " Steck mal de Mielen aff von tau Hus na Grönland. Ik wull weiten, wie lang de Reis is, dor na SSW-Grönland."
Der I. Steuermann wunderte sich, doch auch er hatte mitbekommen, dass sich der Alte für neue Fangplätze interessierte und er Erkundigungen über die Fänge seiner ehemaligen Kollegen eingeholt hatte. Er dachte, na da bin ich gespannt, ob er wirklich nach Grönland fährt?
Wenige Tage vor dem Einlaufen in Rostock hatte er ein Gespräch mit seinem Bruder, der auch auf einem neuen westdeutschen Trawler als Kapitän fuhr. Doch so richtig erfuhren sie an Bord nicht, was geredet wurde. Der Funker hatte Redeverbot vom Alten erhalten. "Dat du mi nix vertellst, wat wi besprakken hemmen!" war seine Order an den Funker.
Die Bestellungen für die kommende Reise schaute er sich genau an und der Meister erhielt Order maximal Wasser und Brennstoff zu bunkern. Der Koch erhielt ebenfalls die Weisung für einige Tage mehr Proviant anzufordern. Der Bestmann und der Netzmacher mussten ihre Bordbestände vorlegen und diesmal sprach der Alte die neuen Bestellungen mit ihnen ab. Sie ahnten was passieren sollte und freuten sich auf die Reise, die nun wohl doch nach Grönland gehen sollte.
In der Fangleitung und bei seinen Kollegen, die dort erschienen waren, herrschte richtige Aufregung, als Hein verkündete: "Mien nie Reis geht na Grönland. Dor ward ik Kabeljau fangen. Mien Bestellungen sünd rut un ik denk, dat wat wat, wie ik mie dat denk!" Kapitän Reinhold, der Fangleiter war, unterstützte Hein Krönke sofort. Wenn er noch besondere Wünsche hätte, würde er helfen. Als er nach den Fischereikarten fragte, meinte Kpt. Krönke, er hätte schon seit einiger Zeit welche von seinem Bruder erhalten. Er erklärte dann noch, wenn Eis keine Fischerei zuläßt, fahre er nach Süden zu den Neufundlandbänken. Doch eigentlich würde zu dieser Zeit alles gut gehen.
Später hieß es, die anderen Kapitäne hätten nur mit dem Kopf geschüttelt, als Hein seine Reise nach Grönland ankündigte.
Fangleiter Reinhold meinte, als ihre Beratung zu Ende ging: "Wir müssen neue Wege gehen und mit unseren Schiffen können wir auch über den Atlantik fahren. Überlegt euch was ihr in Zukunft machen wollt. Meine Unterstützung habt ihr!"
Die Reise der "Dresden" nach Grönland verlief ohne große Probleme. Es briste allerdings ständig, doch sie hatten kein gutes Wetter erwartet. Hein Krönke traf dort auf der Nanortalik Bank westdeutsche Trawler und sogar einen seiner alten Freunde. Freunde war eigentlich zuviel gesagt, doch sie hatten sich immer gut verstanden und und ihre Fangergebnisse ausgetauscht. Hatten sich mit Fanginformationen gegenseitig geholfen. So erfuhr er auch jetzt alles, was er brauchte, um hier auf der Bank Kabeljau fischen zu können. Den ersten Hols machte er nur kurz. Er wollte sehen, wie das Geschirr lief und was hier zu fangen war. Gesehen hatte er bei seinen ehemaligen Kollegen, dass sie sich gute Säcke an Bord hievten und auch nicht zu lange geschleppt wurde. Man wollte vermeiden mit kaputtem Netz umsonst geschleppt zu haben. Netzbeschädigungen waren an der Tagesordnung, damit musste sie leben und auskommen. Es waren wohl so um die 150 Korb, guter, großer Kabeljau den sie sich an Deck hievten. Beim nächsten Hol waren es doppelt so viel und sie mussten schon alles an Bord mobilisieren, damit der Fisch bearbeitet werden konnte und in den Eisraum kam. Alle waren dabei und dies mit ausgezeichneter Laune. Der Trankessel dampfte und der Maschinist half zwischenzeitlich ebenfalls beim Schlachten. Der Alte hatte sich seine Schleppstriche gut gemerkt und der Funker musste immer wieder peilen, um die Position zu halten. Solange ihr Radar noch in Ordnung war ging auch alles gut. War es nicht mehr einsatzfähig, halfen sie sich mit dem Peilen für die Position.
Nach wenigen Tagen konnten sie die Luken schließen. Hein Krönke und seine Besatzung hatten ihre Reise im Bauch. Hein schmunzelte innerlich, als er daran dachte, was seine Kollegen in Rostock wohl sagen würden. Sie hatten es bestimmt schon mitbekommen, dass er mit Vollschiff auf heimreise war. Der Funker wird schon dafür sorgen, dass sie informiert sind.
In Rostock erhielt Hein krönke einen großen Blumenstrauß und sie wurden mit Musik empfangen. Hein Strahlte sogar, als die Presse Fotos von ihm und der Besatzung machte.
Die anderen Kapitäne der Rostocker Flotte kratzten sich den Kopf und waren bestimmt mit sich selbst nicht so richtig zufrieden.
Jedenfalls beschlossen Peter Burmeister und Hein Roesner die kommenden Reisen ebenfalls über den Atlantik zu machen und dort wie Hein eine gute Reise zu holen.
Am 05.02.1958 lief Kapitän Peter Burmeister mit der "Weimar" aus. Holte im Nord-Ostseekanal, in Holtenau Fischereikarten und traf dann nördlich der Hebriden mit Kapitän Roesner mit der "Magdeburg" zusammen. Auf dem Weg nach Grönland erfuhren sie und auch Kapitän Krönke, der erneut auf dem Weg in dieses Fanggebiet war, dass die Fangplätze mit Eis bedeckt waren.
Sie änderten ihr Ziel und dampften nach den Neufundlandbänken zum Rotbarschfang. Alle Schiffe hatten nach gut zwei tagen eine Vollschiffreise im Schiffsbauch.
Mit der Reise nach Grönland durch Kapitän Krönke und seiner Besatzung wurde ein entscheidender Aufbruch in der Rostocker Hochseefischerei vollzogen.