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Schirmer
Jochen Schirmer
Kunstmaler


Arbeitskreis


60 Jahre
Fischwirtschaft
in Rostock Marienehe



Bilder vom Fischereihafen aus den Jahren 1950 bis 1990 und nach der Wende 1990

Fischereihafen




Ständige Ausstellung
Hochseefischerei 1950-1990

Societät Rostock maritim e.V.


Mit dem Trawler "Eisleben" in der Barentssee

Überreicht vom Marineverein Eisleben - Andrä Meyer

Reisebericht unseres Mitarbeiters Ernst Steinkopf, Klostermansfeld

Immer kleiner werden die Fischhallen und Verwaltungsgebäude des Fischkombinates Rostock-Marienehe, die hinter uns zurückbleiben.Noch einmal grüßen vom hohen Flaggenmast die bunten Fahnen der Jugend der Ostseeländer zu uns herüber. Morgen soll das Ostseeländertreffen beginnen;und Rostock hat schon heute ein festliches Gewand angelegt.Langsam, mit halber Kraft gleitet unser Trawler die ausgebaggerte Fahrrinne der Warnow hinunter. Helmut, mein Reisegefährte und ich stehen auf dem Peildeck und schauen zu den gewaltigen Anlagen der Warnowwerft. Wir fühlen uns noch nicht so recht heimisch auf diesem Schiff, das den Namen unserer Heimatstadt trägt. Wie kam es denn eigentlich, dass wir an dieser Fangreise teilnehmen?

Seit Monaten schon gehen Briefe, Telegramme und Grüße zwischen dem Trawler und seiner Partnerstadt hin und her. Einige aus der Lutherstadt wurden zu einer Fangreise in die Barents-See eingeladen und einer davon könnte ein Fotofritze sein.", hatte der Kapitän. und He!d der Arbeit Gerd Schulte gemeint. Bei der vorletzten Reise waren zwei Kollegen vom Lademannschacht mit dabei; und heute sind wir nun dran. Der Stadtrat Helmut Schmidt und ich. Wir haben unseren Jahresurlaub genommen und harren der Dinge, die da kommen werden. "Ihr werdet ganz schön spucken", hatte ein freundlicher Kollege der Hafenverwaltung gestern prophezeit, "bei mir geht es immer gleich los, wenn ich die Mole von Warnemünde hinter mir habe". Seine nette Kollegin hatte uns dabei angesehen, wie man Kälber ansieht, die zur Schlachtbank gefiihrt werden. Die vergangene Nacht haben wir mutterseelen allein an. Bord verbracht. Die Besatzung hatte noch Landurlaub. In. der Kammer vom Bestmann und Netzmacher fanden wir eine, alle unsere Erwartung übertreffende Schlafgelegenheit.

Am Morgen kam dann der größte Teil der Besatzung an Bord. Im Laufe des Vormittags sollte es losgehen. Als erste lernten wir Rolf, den Steuenmann, einen wahren. Hünen, und "Atze", den Politleiter einen patenten Jungen aus Berlin, kennen. Der Steuermann ließ uns eine Kammer unten im Heldenkeller zurechtmachen. Sie war klein aber gemütlich, mit zwei übereinandergebauten Kojen, die mit Leselampen und bunten Vorhängen versehen waren. Zwei Spinde, ein Tisch, eine Bank und ein Stuhl, alles festgeschraubt, vervollständigten die Einrichtung. Auf dem Tisch stand eine Schreibtischlampe mit schwerem eisernen Sockel; und an der Wand eine Petroleumlampe in kardanischer Aufhängung als Notbeleuchtung. Nachdem wir unsere Sachen verstaut hatten, gingen wir noch einige Formalitäten zu erledigen. Die Ausreisegenehmigung aus der DDR, die Anmusterung, die Eintragung in die Seemannsrolle - das alles musste noch erledigt werden. Zum Schluß empfingen wir dann vom Magazin unsere Ausrüstung: Ölzeug, Südwester, Gummistiefel, Handschuhe, Bettwäsche und Eßgeschirr; alles wurde im Seesack verstaut und den schmalen, steilen Niedergang zu unserem Logis hinuntergeschleift. Als wir wieder an Deck kamen. stand der Kapitän, an der Pier und beobachtete den Ablauf der Vorbereitungsarbeiten. Ich sah ihn zum erstenmal. Mittelgroß, etwas gebeugt - man sieht ihm an, dnss er ein hartes Leben hinter sich hat. Über 40 .Jahre fährt er zur See. Tiefe Runen haben Wind und Wetter in dieses harte Gesicht hineingegraben. Unter buschigen, grauen Augenbrauen schauen uns ein Paar helle Augen prüfend an. "Da seid Ihr also. Du bist der Kollege Schmidt, dann ist das der Kollege vorm Kulturbund. Wir wollen sehen, dass wir heute noch auslaufen. Es geht wieder mal alles schief. Leistet solange meiner Frau Gesellschaft; sie sitzt oben an Bord in meiner Kammer." Dann saßen wir in einem behaglich eingerichteten Raum, der direkt unter der Kommandobrücke liegt, der Frau des Kapitäns gegenüber. Sie war gekommen, um von ihrem Mann Abschied zu nehmen. Zum wievieltem mal mag es wohl gewesen sein? "Ich glaube gar nicht, dass es heute noch los geht. Ich nehme sie dann in meinem Wagen mit zu uns nach Hause", sagte sie. Weil wir gar so verdutzte Gesichter gemacht haben mögen, zwinkerte sie uns lachend zu und sagte: "Es ist doch Freitag heute." Da ging uns eine Seifenblase auf. Auch bei unserer volkseigenen Hochseeflotte ist also der alte Seemannsglaube noch nicht ausgestorben. Deshalb haperte es also mit den Vorbereitungen. Da will ich mich gar nicht wundern, wenn wir unterwegs dem "Fliegenden Holländer" und dem "Klabautermann" begegnen. In der Zwischenzeit war jemand von der Kombinatsverwaltung gekommen und hatte Dampf gemacht. Der Kapitän musterte einige Ersatzleute für die fehlenden Besatzungsmitglieder an. In der Zwischenzeit waren die Nachzügler eingetroffen. Sie brachten einen leichten Duft von "Spezial" mit an Bord. Inzwischen hatte einer festgestellt, dass er seine Papiere in Stralsund liegengelassen hatte. "Das kann schon mal passieren", sagte der Steuermann und schickte zwei Mann mit dem Motorad los. Am späten Nachmittag kamen sie zurück. Panne gehabt. Auch das kann passieren, und so ein Freitag hat es eben in sich.

Mit gerunzelter Stirn setze sich der Kapitän neben uns und meinte: "Jetzt habe ich drei zuviel an Bord." Die Ersatzmänner wollten nicht wieder weggehen, denn sie fahren alle gerne beim alten Schulte. Plötzlich kam Leben in den ganzen Betrieb. Alle schienen es eilig zu haben, nur so schnell wie möglich von Land weg- zukommen. Die letzten Kisten mit Lebensmittel kamen an Bord. Dann gingen die Frauen und Kinder von Bord. Wiedereinmal hieß es Abschied nehmen. Der Laufsteg wurde eingeholt, die Trossen losgemacht; und dann löste sich ROS 215 sacht vom Kai. Die gebändigte Kraft von 1000 PS ließ das Schiff erzittern.

Warnemünde liegt hinter uns. Heute ist Freitag, der 27. 6. 1956. Wir passieren die Mole von Warnemünde und sehen uns beide ganz betroffen an. Einen solchen Seegang hatten wir hier draußen nicht erwartet. Das kann ja heiter werden. - Auf der Warnow hat man davon nichts gemerkt. Die Molenköpfe verschwinden in der Dämmerung. Wenn nur diese blödc Schaukelei nicht wäre. Immer, wenn das Schiff nach unten durchsackt, halte ich krampfhaft die Luft an. Ich sage zu Helmut: "Eins steht fest: ich habe nicht die Absicht seekrank zu werden. Diesen Spaß soll diese ganze Gesellschaft nicht haben." Dann ruft uns der Kapitän zu sich in die Kajüte zum Willkommenstrunk. Bei ihm sitzt Atze. Vor ihnen stehen eine Flasche und einige Wassergläser. Auch das noch, wo ich schon unter normalen Umständen nichts vertragen kann. Aber ich rede mir Mut zu und kippe die ersten beiden dieser Ungetüme miteiner Todesverachtung hinter, als wäre ich das von eh und je gewöhnt. Der "Alte" sieht uns anerkennend an. Helmut hat ebenfalls einen Zug wie ein Qurtalssäufer. Plötzlich stößt er mich in die Seite und flüstert: "Bei mir geht's los." Ich sehe noch ein seltsam verändertes Gesicht, und dann ist er auch schon verschwunden. Ich kann ihm von meinem Platz aus nicht nachblicken. Der Käpt'n schlägt sich auf die Knie und lacht, dass die Brücke erzittert. Immer wieder ruft er dröhnend: "Nun guck dir das bloß an."

Eins steht fest: den Spaß soll er mit mir nicht haben. Von Zeit zu Zeit werde ich von der Seite gemustert, und man erkundigt sich nach meinem Wohlbefieden. Wenn nur die verflixte Schaukelei und der verdammte Fusel nicht wären. Da habe ich auch schon wieder ein gefülltes Glas vor mir stehen. Was will man machen? Von Zeit zu Zeit versuche ich mich unauffällig voll Luft zu pumpen, um ein Gegengewicht für meinen hin- und hergerutschten Magen zu schaffen. Mir tritt der kalte Schweiß auf die Stirn. Meine Hände beginnen zu zittern. "Du mußt immer in die Ferne sehen", hatte mir jemand daheim gesagt. Vorsichtig richte ich mich auf und schaue zum Fenster hinaus. Ich hätte es nicht tun sollen. - Das Meer hat weiße Schaumkämme bekommen, und der Bug wird vom Gischt über sprüht. Plötzlich würgt mich etwas in der Kehle, mir bleibt die Luft weg und der Magen scheint sich einen Ausweg nach oben zu suchen. "Bleib doch noch ein bißchen", höre ich den Politleiter rufen und dann knalle ich rechts um die Ecke gegen die Tür der Funkkabine. Dort wollte ich gar nicht hin. Mit einem eleganten Satz will ich nun durch die Luke springen, die zum Bootsdeck führt, schaffe es aber nur zu einer perfekten Bauchlandung. Das ist zuviel des Guten. Im letzten Moment erreichte ich noch die Reeling. Als ich den Kopf wieder heben kann, schaut mich Helmut aus einem grau-gelb-grünlichen Gesicht traurig lächelnd an. Der Lautsprecher quäkt vom Mast herunter: "So ein Tag, so wunderschön wie heute". Wir werfen ihm einen vernichtenden Blick zu und. verschwinden einträchtig und vieler IIllusionen beraubt im "Heldenkel1er". "und dann schließe Dich ein in Dein Kämmerlein", hatte mir ein Bekannter gesagt, der schon einmal mit der "Mansfeld" draußen war. Es ist wohl auch das beste so. Ich muß erst mit meinem Innenleben wieder ins reine kommen. Jemand pocht an der Tür und eine mitleidige Seele schiebt uns diskret einen Eimer in die Kammer. Welch ein Glück, denn bis zum Bootsdeck ist es eine halbe Tagesreise Wir verlosen unsere Kojen. Helmut schläft oben, das ist hart aber gerecht Dann ziehen wir die Vorhänge zu (wenn die Dinger doch nicht immer so dumm hin- und herwedeln wollten) und ergeben uns in unser Schicksal. Die Nacht verläuft, von einigen periodisch auftretenden Zwischenfällen abgesehen, ganz normal. Selten springen wir zur gleichen Zeit heraus. Gegen Morgen weckt uns die Ruderwache. "Kommt rauf, oben gibt es was zusehen!" Mit weichen Knien arbeiten wir uns den steilen Gang hinauf. Wir sind über Nacht in den Sund eingefahren, die schmale Durchfahrt zwischen Dänemark und Schweden. An Backbord voraus taucht Kopenhagen auf. Silberglänzende Flugzeuge auf dem Flugplatz, riesige Treibstofftanks schimmern im Licht der aufgehenden Sonne. "Esso" und "Shell" können wir mit bloßem Auge lesen. Ein riesiger amerikanischer Tanker, der schon eine Zeitlang hinter uns lag, nimmt Kurs auf den Hafen. Die dänische Hauptstadt liegt im Morgendunst. Dann taucht an Steuerbord, wo vorhin die Sonne aufgegangen ist, die schwedische Küste auf. Wälder, saubere Dörf mit schmucken weißen Häuschen, ein Zeltlager an einem Wiesenhang und dann wieder ein Industriestädtchen mit "Esso" und "Shell".

Das Frühstück in der Messe wird ohne uns eingenomrnen. Mein Magen rebelliert noch. Weiß der Teufel, wo der immer noch etwas zum Rebellieren her hat. Wir machen es uns auf dem Bootsdeck auf einem Netzbündel bequem. Da hat mans nicht soweit zur Reeling und ist vor schadenfrohen Gesichtern geschützt. Übrigens, den Schiffsjungen hats auch erwischt. Die Reeling ist ja lang genug. Gegen Mittag passieren wir die schmalste Stelle. An Backbord Heisingör mit dem dänischen Königsschloß und an Steuerbord die schwedische Industriestadt Helsingborg. Eine weiße Fähre pendelt hin und her. Alles ist ganz nah. Ich: habe einen Farbfilm eingelegt und das Teleobjektiv eingeschraubt. Dann bleibt das Land. hinter uns zurück. Wir sind ins Kattegatt eingefahren. Wir gehen zum Mittagessen in die Messe. Die Leisten an den Tischen sind hochgeschlagen, damit die Teller sich nicht selbständig machen können. Mancher balanciert seinen Teller Vorsuppe mit erstaunlicher Sicherheit in der linken Hand. Nach den ersten paar Löffeln, suche ich das Weite. Helmut folgt mir wie ein Schatten. Es will eben nicht rutschen. Das WC ist eine "Fehlkonstruktion". Es ist am äußersten Ende im Achterschiff, unmittelbar über der Schraube. Bei Seegang, so wie jetzt, schwebt man dauernd zwischen Himmel und Erde. Die Wasserspülung von oben hätte man ruhig einsparen können. Die von unten hätte auch genügt. Jede größere Welle macht sich angenehm bemerkbar. Dafür hätte man lieber ein paar Handgriffe anbringen sollen. : (Fortsetzung folgt)




Letztes Update: 17.02.2011, 20:09 Uhr
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