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Schirmer
Jochen Schirmer
Kunstmaler


Arbeitskreis


60 Jahre
Fischwirtschaft
in Rostock Marienehe



Bilder vom Fischereihafen aus den Jahren 1950 bis 1990 und nach der Wende 1990

Fischereihafen




Ständige Ausstellung
Hochseefischerei 1950-1990

Societät Rostock maritim e.V.


Ein Arzt verließ auf See seine Patienten und fuhr mit einem englischen Fischdampfer ins Asyl

Hallo Günter, es ist Weihnachtszeit und es werden gerade jetzt Erinnerungen wach. Ich denke daran; und in deiner HP steht es auch, dass unser ehemaliges Kombinat kein einziges Schiff beim Einsatz auf See verloren hat.

Es soll nur eingangs nochmals erwähnt werden, dass alle Naturgewalten die ein Schiff treffen konnten(und sie haben unsere Fahrzeuge getroffen) von unseren Besatzungen verlustfrei überstanden wurden. Dies spricht doch auch heute noch für eine sehr solide see­männische Moral, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse von uns Hochseefischern.

In diesem Zusammenhang sollten wir aber auch die wirklich hervorragende Arbeit unser Schiffbauer aus Wolgast, Stralsund, Wismar und Rostock anerkennen. Dank dieser guten Voraussetzungen haben wir zwar kein Schiff verloren, aber einen Verlust der anderen Art habe ich erlebt. Diese Begebenheit ist mir heute noch gegenwärtig, ich glaube es war in der Weihnachtszeit.

Wir waren mit unserem FVS, die „J.R.Becher“ bei Island auf Rundfisch. Unter anderen waren auch englische Fischdampfer(wir nannten sie umgangssprachlich „Tommys“) mit am Platz. Da wir das einzige Schiff waren, welches einen Arzt an Bord hatte, blieb es nicht aus, dass wir immer wieder med. Hilfe leisten mussten. An einen Besatzungsmitglied eines englischen Fischdampfers, der in unserem Lazarett vom Doc operiert wurde, kann ich mich noch gut erinnern.

Sehr gut auch an unseren Doktor. Wir, von der Decksgang, saßen oft mit ihm in seiner Kammer. Er ergötzte sich an unseren erfundenen oder tatsächlichen Erlebnissen auf See; und natürlich mit Frauen in unserer Freizeit. Wir hielten uns dafür an seinem „Sprit für med.Zwecke“ schadlos. Ehrlich gesagt, es hat uns auch etwas geschmeichelt, dass ein so guter Doktor, so sahen wir es an Bord, sich so ohne Standesdünkel mit uns unterhielt und abgab. Es hatte wohl andere Ursachen.

Eines Tages, ich hatte Ruderwache, wurde unser Kapitän von einem „Tommy“ über UKW gerufen. Diese Stimme würde ich heute noch unter vielen erkennen. Sie war sehr rauchig, mehr krächzend. Er bat darum, ob unser Doktor nicht zu einem Verunfallten an Bord kommen könnte. Wie gesagt, wir hatten schon einen Mann von diesem Schiff in unserem Lazarett, welches eigentlich voll von unseren und von Leuten anderer Schiffe belegt war. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass deshalb unser Kapitän starke Bedenken hatte. Wie der Doktor die Bedenken ausräumte, entzog sich naturgemäß meiner Kenntnis.

Wir brachten unseren Arzt mit unserem Schlauchboot auf den englischen Fischdampfer.

Die Zeit verging, unser Kapitän wurde wegen unserer eigenen Patienten, dem vollen Lazerett, immer unruhiger. Es zeichnete sich immer noch keine Rückkehr unseres Doktors ab, nicht mal eine Meldung von ihm kam bei uns an. Anfragen unseres Kapitäns über UKW wurden ausweichend oder gar nicht beantwortet. Nachts rief unser Kapitän mich und die Schlauchbootbesatzung auf die Brücke. Er meinte, ich habe den Verdacht, dass unser Doktor nicht zurück kommt. Dann sagte er, ihr seit kräftige Burschen, holt mir den Doktor zurück. Seine Patienten brauchen ihn. Das war für uns eine eindeutige Order. Er setzte sich mit dem „Tommy“ in Verbindung und informierte sie, dass ihr Patient zurückgebracht würde und wir unseren Doktor abholen würden. Der Patient wäre wieder transportfähig. Er hatte bei uns ja vorzügliche Hilfe und Pflege erhalten. Vielleicht, so dachten wir, könnte er positiven Einfluss auf seinen Kapitän zur baldigen Rückkehr des Doktors nehmen. Als wir auf dem Fischdampfer ankamen, fiel uns die gedrückte Stimmung der Brückenwache auf. Wir hatten unser Schlauchboot an Bord gezogen und waren gemeinsam zur Brücke gegangen. Die rauchige Stimme des Kapitäns hörte ich allerdings nicht. Irgend etwas stimmte hier nicht, das war uns klar.

Der Verdacht meines Kapitäns schien sich zu bewahrheiten. Aber wir brauchten Klarheit. Eine konkrete Auskunft von der Brückenwache bekamen wir nicht. Auch meine höfliche Frage, ob ich unseren Doktor auf dem Schiff suchen dürfe, wurde nur mit einem Achselzucken beantwortet. Wir dachten ja immer noch, verbunden mit der Hoffnung, es würde sich alles aufklären und unser Schiffsarzt wäre nur versumpft und würde in einer Kammer liegen und schlafen. Wir begannen mit der Suche. Wir fanden ihn aber nicht. Da unser Auftrag klar und deutlich war, wollten wir nun zum Kapitän. Die Kammer des Kapitäns zu finden, ist für einen Seemann nicht problematisch.

Ich formulierte im Kopf meine Frage im besten Oxford-Englisch (ha,ha). Wir fühlten uns im Recht, schließlich sollte der Arzt zu seinen Patienten zurück. Deshalb klopfte ich recht energisch an die Kammertür des Kapitäns. Erst rührte sich nichts, doch dann wurde sie geöffnet. In diesem Augenblick sah ich unseren Arzt mit dem Rücken zu mir am Tisch sitzen. Der Kapitän schaute uns irgendwie wütend an. Wir hörten dann seine unverwechselbare, rauchige, krächzende Stimme: „What is the matter?“

Als ich sagte, ich möchte nur unseren Arzt sprechen, steigerte sich die Lautstärke seiner Stimme erschreckend und ich vergaß seine Worte bis heute nicht. „Hock it you fucking german bastard communist.“ Dann fiel die Tür lautstark ins Schloß, der Schlüssel wurde umgedreht.

Ich hatte also keine Chance unseren Patienten und der Besatzung ihren Arzt zurückzubringen. Auf der Brücke sprach ich über UKW mit meinem Kapitän. Ich bin sicher ,es hörten viele mit. Wir sollten zurück. Bis zur Bordwand wurden wir vom I.Offizier und dem Patienten begleitet. Wir hörten von beiden beim Ablegen ein leises „sorry“

Einige Tage war der „ Tommy „ noch am Fangplatz, wurde aber von den eigenen Kollegen geschnitten. Irgendwie später haben wir gehört, die Reederei des englischen Fischdampfers habe den Kapitän abgelöst. Der Arzt soll in die BRD gereist sein. Bei uns an Bord wurden die Patienten vom 1. Offizier versorgt.

Wir dachten damals, so einem verantwortungslosen Arzt, der seinen geschworenen Eid einfach vergaß und seine Patienten alleine ließ, darf man nicht praktizieren lassen. Sollte dieser Banause zufällig diesen Bericht lesen, so kann er gewiss sein, dass bei einem zufälligen Treffen die Hände der Besatzungsmitglieder unseres Schiffes nicht in den Taschen bleiben.

Ich würde diese Episode, wenn schon nicht als Schiffsverlust, so doch als Verlust der anderen Art bezeichnen.





Letztes Update: 01.01.1970, 01:00 Uhr
Günther Kröger - 2008